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4.7 »Wirtschaftliches Eigentum« als Kriterium für die Inventarisierung

Frage: Welche Kriterien sind – insbesondere bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen – für die Bilanzierung von Vermögensgegenständen entscheidend?

Antwort: Die Bilanzierung von Vermögensgegenständen einer Kommune bestimmt sich grundsätzlich nach der zivilrechtlichen Zuordnung. Im Regelfall hat die Kommune als zivilrechtlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstandes nach der Eigentumsübertragung auch die Sachherrschaft inne (vgl. § 903 BGB). Damit steht ihr eine uneingeschränkte Verfügungs- und Nutzungsberechtigung zu. Der Ansatz in der kommunalen Vermögensrechnung wird daher dadurch bestimmt, ob die Kommune einen Vermögensgegenstand angeschafft oder hergestellt hat oder dieser in Abgang gestellt wird.

Gleichwohl kann der Eigentümer eines Vermögensgegenstandes in seiner Sachherrschaft über diesen Vermögensgegenstand beschränkt sein, so dass einem Dritten einzelne Befugnisse zustehen, zum Beispiel Verfügungs- oder Nutzungsrechte, obwohl er kein Eigentümer des betreffenden Vermögensgegenstandes ist. Übt ein solcher Dritter die tatsächliche Herrschaft über einen Vermögensgegenstand in der Weise aus, dass er den Eigentümer auf Dauer, zum Beispiel im Zeitraum der üblichen Nutzungsdauer eines Vermögensgegenstandes, von der Einwirkung auf den Vermögensgegenstand ausschließen kann, so ist diesem Dritten der Vermögensgegenstand zuzurechnen (vgl. § 39 Abs. 2 AO). Ein normales Miet- oder Pachtverhältnis erfüllt dieses Kriterium jedoch nicht. Ausgehend vom Steuerrecht und einer entsprechenden betriebwirtschaftlichen Anwendung sowie der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung hat die Kommune einen Vermögensgegenstand in ihre Bilanz aufzunehmen, wenn sie das wirtschaftliche Eigentum daran inne hat. Mit der getroffenen Regelung sollen die tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der Kommune als Basis für den Ansatz in der Bilanz dienen.
 
Auch für Kommunen kann sich der Fall ergeben, dass sie nicht das zivilrechtliche Eigentum, aber das wirtschaftlichen Eigentum an einem Vermögensgegenstand inne haben. Ob der Kommune das wirtschaftliche Eigentum am Vermögensgegenstand zuzurechnen ist, lässt sich daran messen, ob die Kommune
  - die tatsächliche Sachherrschaft über den Vermögensgegenstand ausübt,
  - die Gefahren und Risiken trägt sowie
  - den rechtlichen Eigentümer von der dauerhaften Nutzung (während der wirtschaftlichen Nutzungsdauer) an dem Vermögensgegenstand ausschließen kann.

Wirtschaftlicher Eigentümer ist danach, wem dauerhaft, also für die gesamte wirtschaftliche Nutzungsdauer des betreffenden Vermögensgegenstandes, Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten an dem Vermögensgegenstand  zustehen. Wirtschaftliches Eigentum an einem Vermögensgegenstand liegt vor, wenn eine eigentumsähnliche wirtschaftliche Sachherrschaft über einen Vermögensgegenstand besteht, die es ermöglicht, Dritte auf Dauer von der Nutzung dieses Vermögensgegenstandes auszuschließen. Die Kommune ist als wirtschaftlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstandes anzusehen, wenn sie den Vermögensgegenstand in Besitz hat, ihn nutzen kann und ihr Wertsteigerungen zustehen, sie aber auch die Gefahren und Lasten trägt, wie das Risiko von Wertminderungen oder eines Verlustes des Vermögensgegenstandes.

Für die Aktivierung eines Vermögensgegenstandes muss sich die Gemeinde ein Gesamtbild über die tatsächlichen Verhältnisse bezüglich des betreffenden Vermögensgegenstandes verschaffen. Dies kann zum Beispiel in den Fällen erforderlich werden, wenn beim Erwerb eines Vermögensgegenstandes noch ein Eigentumsvorbehalt besteht, bei Sicherungsgeschäften, bei der Grundstücksübertragung etc. Lassen sich bestehende Zweifel, ob die Gemeinde als wirtschaftlicher Eigentümer eines Vermögensgegenstandes anzusehen ist, nicht ausräumen, ist der Aktivierung beim rechtlichen Eigentümer der Vorzug zu geben. Ergänzend zur Beurteilung des wirtschaftlichen Eigentums können die Regelungen des Bilanzsteuerrechts herangezogen werden. Insbesondere bei Leasinggeschäften und ÖPP-Modellen muss der Bilanzierung eine genaue Analyse der Vertragsgestaltung vorausgehen.

Beispiele:
Bei Verkehrsflächen, die noch nicht im Eigentum der Kommune stehen, ist nichtsdestotrotz vom wirtschaftlichem Eigentum der Gemeinde auszugehen, wenn die Kriterien für die Zurechnung durch die Straßenbaulast, die durch das Straßengesetz begründet wird, erfüllt sind.

Das Kriterium des wirtschaftlichen Eigentums ist bei Grundstücken schon dann erfüllt, wenn die Zuordnung beantragt wurde und die Kommune keine objektiven Anhaltspunkte hat, dass dem Antrag nicht stattgegeben wird.

Bei Grundstücken, die im Grundbuch noch als »Eigentum des Volkes, Rechtsträger Gemeinde« ausgewiesen sind, ist zu prüfen, ob die Gemeinde hierfür einen Zuordnungsantrag nach dem Vermögenszuordnungsgesetz gestellt hat. Wenn die Gemeinde nach den oben genannten Kriterien die Sachherrschaft über das Grundstück ausübt, ist in der Regel auch in diesen Fällen von wirtschaftlichem Eigentum auszugehen.

[erstellt am 30. April 2009]

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